Der Wunsch nach einem kühlen Krug
Weigert-Bier und nach einer
angeregten Unterhaltung trieb ihn wieder
mal in den "Goldenen Löwen".
Durch den Hintereingang - wie es übrigens
beinahe alle taten,
gerade so, als wollten sie etwas verheimlichen
- schlich er sich ins Lokal.
Von den bereits reichlich anwesenden
Gästen - Taglöhner, Land-
wirte, der Gevatter Schneider, Küfer,
Schuhmacher, Wagner,
Ziegeleiarbeiter und Steinhauer - wurde
er freundlich
begrüßt und zum Sitzen aufgefordert.
Sie wußten, dass es mit
Berthold Schuldt eine lustige und unterhaltsame
Runde werden
könnte.
Gleich wollten sie von ihm wissen, was
es im Dorf Neues
gäbe. Mit vielen persönlichen
Anmerkungen gewürzt, gab
Schuldt die neueste Begebenheiten zum
Besten. Einwände und
Zwischenrufe konterte er schlagfertig
und hatte so meistens die
Lacher auf seiner Seite.
Gerade heute Morgen hätte er erfahren,
dass einem gewissen Fundis
das Vorderrad an seinem beladenen Erntewagen
gebrochen sei, die-
ser Kraftmensch sich aber mit seiner
Schulter unter die Heulei-
ter stemmte und so den Transport sicher
in seine Scheune brachte.
Neben Schuldt saß ein Steinhauer,
der gehörte im Löwen zu
den Stammgästen. Schuldt schaute
diesen biederen Mann
etwas nachdenklich an und sagte: "D`
Leit om Dort verzähla,
du dätsch nie om Löwa vorbeikomma."
"Stimmt net", entgegenete der Mann
hoch erfreut, "heit honnes gschaffd."
"Ja, was denn", sagte Schuldt zu ihm
darauf: "Du bisch doch awer do om Löwa, oder net?"
Der Steinhauer beugte sich zu ihm hinüber
und nuschelte
ihm ins Ohr: "Weil i so schee om Löwa
vorbeikomma bin, binne nei."
Ein so heldenhaftes Passieren einer
Wirtshaustüre konnte nur
mit einer Umkehr deren sofortigem Durchschreiten
belohnt werden.
Als die Anwesenden verneinten, die
neueste Geschichte - der
Schneider Haug spielte in derselben
die Hauptrolle - bereits
gehört zu haben, fing Schuldt
an zu erzählen:
Ja, der Schneider-Haug habe wieder
mal im "Löwen" einige
Krüge Bier zuviel getrunken und
konnte den Eingang íns Gässle
zum Linsenviertel - dort hatte er seine
Schlafstelle -
trotz wiederholter Versuche nicht finden.
In der pechschwarzen Nacht landete
er schließlich am Hoftor des Pfarrhauses.
Als er überall nur Latten unter
seinen suchenden Händen spürte,
kam es schließlich kläglich
über seine Lippen:
"Jetzt komme nemme hom, jetzt häwese
s' Gässle zugnaggelt."