Der Entendiebstahl in des Pfarrers Stallungen
Eigentlich gab es kein Wirtshaus im
Dorf, das Berthold Schuldt gemieden hätte. Dieses Mal besucht er nach
beendetem Tagewerk das Gasthaus "Goldener Engel", wo er mit dem Wirt und
Landesproduktenhändler Franz Kolb und anderen Gästen Bier, natürlich
Weigert-Bräu, genoss. Die Gäste am Tisch fühlten sich wohl,
da alle von der geschliffenen Zunge des Berthold Schuldt immer etwas ernten
konnten. Berthold griff an diesem Abend weit zurück:
31 Jahre vor meiner Geburt, also in
der Mitte des 19. Jahrhunderts, gab es in unserem Dorf, um neue Verhältnisse
zu schaffen, eine Revolution.
Die Umwälzung war hauptsächlich
gegen den Adel gerichtet. Die an diesem Volksaufstand Beteiligten mußten
alle schwer büßen. Ihre Familien wurden notleidend, weil ihre
Männer bestraft und eingesperrt wurden. Einen aus der Untersuchungshaft
in Bretten vorübergehend Entlassenen hatte es besonders hart getroffen.
Er hatte es schließlich satt, seine Frau und Kinder am Hunger leiden
zu sehen und entschloss sich zu einem Diebstahl.
Noch vor seinem Entschluss, den Sprung
über eine Gartenmauer zu wagen, erinnerte er sich, dass die Herrschenden
oft und gerne von sozialer Gerechtigkeit redeten, in Wirklichkeit aber
nichts dafür taten.
Diese Gedanken bestärkten ihn
in seinem Vorhaben und entlasteten ganz beträchtlich sein Gewissen.
Er roch schon den Braten in der Pfanne.
Tage zuvor war ihm nämlich eine
quakende Schar Enten im Pfarrgarten aufgefallen. Sie gehörten Pfarrer
Kaspar Goos, der 1846 bis 1854 Hüter der evangelischen Religion im
Dorf war.
Pfarrscheune und Stallungen lagen im
Dunkeln, und der Pfarrknecht schlief im entfernten Heiligenhaus im Kronengässle.
Es war eine kalte Nacht, der Schnee
knisterte unter den Füßen, und der aus Not zum Dieb werdende
Entlassene überstieg gegen 2 Uhr rasch die Gartenmauer und verschaffte
sich so Zutritt zu den Enten. Unbehelligt konnte er eine Ente nach der
anderen in seinem mitgebrachten Sack verschwinden lassen.
Die nächste Zeit herrschte im
Haus des Diebes ein bisher nie gekannte Freude und Zufriedenheit.
Um aber den Pfarrer über den Verbleib
seiner Enten nicht im Unklaren zu lassen, schickte der Übeltäter
ein paarTage später eine Ente an den Pfarrer zurück, die mit
einem Halsband versehen war, auf dem zu lesen war:
"Lieber Pfarrer Goos,