"Wonn nomma oin Ascht fun denna Moschtbira zeidich wär"

Berthold Schuldt saß auf seinem vierbeinigen Drehstuhl an
der Werkbank. Er zog die Gardinen zurück, um die Acht-Uhr-
Vormittagssonne zu erwarten, und schon traf das Sonnenbün-
del auf seinen Arbeitstisch. Punkt acht Uhr, das war auch der
Zeitpunkt, als seine Kuckucksfiguren aus ihren Holzverschlä-
gen den anderen Uhren signalisierten, dass die sich die Stunde
nicht viel tun würde im Werkstättle, denn er Meister litt noch etwas
unter den Spätfolgen des letzten Abends.

Es war im "Goldenen Engel", wo sich eine trink-und kontaktfreudige
Dorfhandwerkerrunde zusammengefunden hatte.

Aus irgendeinem heute nicht mehr bekannten Grund - mag
es ein Geburtstag oder ein guter Geschäftsabschluß eines der
Anwesenden gewesen sein - tranken die Männer am Wirtshaustisch
an diesem Abend nur Wein - und zwar vom besten.                      .

Auf das "Da Capo" von Schuldt  füllte der Wirt die Gläser aufs Neue
und sie prosteten einander zu.
Ganz in seinem Element, zitierte Schuld einen seiner bekanntesten
Sprüche: "Lieber soll ein Königreich verrecken, als oin Tropfa Wei."

So war es nur allzu verständlich, daß sich am nächsten Morgen in
Schuldts Werkstatt nicht viel regte.
Zufrieden registrierte er das sonore Geläut des Westminster-
Schlags seiner Standuhr, aber steigern konnte es seine
Willenskräfte keineswegs.
Nichts tat sich.
Wer an diesem Tag an Schuldts Haus vorbeiging, der hörte
nur das seltsame Hüsteln eines älteren Mannes,
und mancher machte sich so seine Gedanken.
Hatte Schuldt Sorgen? War kein Geld mehr da?
Wilhelmine hatte ihn gerade heute Vormittag unmißverständlich
darauf híngewiesen, dass im Vertiko unter der Hutschachtel
sich weder Münzen noch Banknoten mehr befinden.
Ob das aber seine Trinkgewohnheiten ändern würde?
Man darf da so seine Zweifel haben.

Mehr zufällig blickte er aus seinem Fenster in
Friedrichs Garten. Dort sah er einen großkronigen Birnbaum.
Da fiel gerade eine Birne vom Baum und schlug mit dumpfem
Geräusch im Grase auf. Da entrang sich ihm ein tiefer Seufzer:
"Wonn nomma nur oin Ascht fun denna Moschtbira zeidich wär!"