Mittelpunkt des Dorfes
Notwendige Geräte und Werkzeuge,
Kruscht und Kleinkram
gaben der Arbeitsstätte ihr Gepräge
und füllten sie bis zum
letzten Winkel.
Vielen älteren Sulzfeldern ist
sie noch deutlich im Bewußtsein.
Wir dürfen sie als Knotenpunkt
des Dorflebens bezeichnen,
wo Fäden des Lebens zusammengelaufen
sind, Lebenserfahrungen ausgetauscht
wurden und die Neugierde der Menschen
reichlich Nahrung
fand. Werfen wir einen Blick in diese
Werkstätte:
Faszinierend, was sich da dem menschlichen
Auge auftat: Auf
kleinstem Raum, zusammengedrängt,
gerappelt voll, be-
klemmend eng beisammen, finden wir
die Standardausrüstungen ei-
nes Uhrmachers, Optikers, Frisörs,
Mechanikers und Steinhau-
ers; ja, auch Musikinstrumente und
musikalisches Zubehör
konnte man in dem Gewirr ausmachen.
An der Wand zeigen ungezählte
mechanische Wanduhren mit
Ketten und Federzug ihren Stand und
Status. Alles tickt und
tackt. Dazwischen rasseln die Wecker.
Eine Vielfalt herrschte
wie im Uhrmacherwald. Da hingen Kuckucksuhren
in Bahn-
häusle-Form, aus denen ein täuschend
echtes "Kuckuck" von ei-
nem Vogel mit einer großen Klappe
alle halbe Stunde hinaus-
posaunt wurde.
Man öffnet die Türe zur Werkstatt,
und die Ladenschelle meldet
den Besucher an. Ins Auge fiel vor
allem eine uralte
Standuhr, die zu jeder vollen Stunde
ihren sonoren Klang ertönen ließ.
Wer genau hinsah, konnte an dem langen
Perpentikel eingraviert erken-
nen: "Tempus fugit" - die Zeit eilt.
Der Musiker und Dirigent Schuldt hatte
hier sein "Studio",
hier entstand vieles, das die Menschen
später unterhielt und erfreute.
Man sagte von ihm, er hätte seinem
Vater, der Uhrmachermeister
und Optiker war, über die Schulter
geschaut und so sein Uhrmacherhirn
sowie sein scharf prüfendes Optiker-Auge
entwickelt.
Für Schuldt eilte sie nicht so
sehr. Er hatte immer Zeit,
einige Gläser Moscht die Kehle
hinunterzugießen. Er umschrieb es so:
"Däbbele, nur die Gorgel gschwenkt".
Sein Mostkrügle hatte einen festen
Platz in der
Werkstatt und stand getarnt in der
Fensternische, aber die
senfgelbe Farbe - mit schwarzen Querstreifen
- schimmerte doch durch.
Er hätte sein Krüglein in
kuhfinsterer Nacht gefunden, meinte er dann und
wann.
Es soll auch vorgekommen sein, dass
der Meister einen
intus hatte, worauf seine Frau Wilhelmine
noch ulkte: "Heid
hasch awer widder on schöner sitza".
Seine Entgegnung:
"Däbbele, des frait me awer, dass
er dir aa gfällt."
Ein kleines Plätzchen tut sich
auch auf für das Frisörgeschäft. Da
werden Alt und Jung die Haare
geschnitten und Männerbärte
rasiert. Auf der anderen Seite steht
die Werkbank, wo zahllose
Rädchen und sonstiges Zubehör
liegen. Uhren warten auf ihre Repara-
tur, und dazwischen werden Monokel
verpasst und verkauft.
Auch Steinhauerwerkzeuge finden ihren
Platz im Uhrmacher-
lädchen aus der Geschirrkiste
des Steinhaures Schuldt.
Sichtbar sind - um nur einige zu nennen:
Knipfel, Handschlegel,
Krönle, Halbeisen, Setzer, Senkblei
und Hüttnerstuhl.
Den Augen bietet sich immer mehr an:
Blechblasinstrumente,
Saiteninstrumente, ein Fiedelbogen,
leicht verdeckt unter dem
Signalhorn des Radfahrervereins "Germania".
An anderer Stelle liegt Notenpapier,
das noch zu beschreiben ist, auf der
Werkbank. Am Fensterkreuz hängen
verkaufsbereite Kaiser-Bart-Binden.
Und nach Feierabend werden in diesem
Studio Musiker ausgebildet. In die-
sem Raum mit seiner einmaligen Atmosphäre
liegt ein
friedlicher Duft nach Heimat und Menschen.
Er umfaßt eine intime
Werkstätte von kleiner Dimension,
eine Stube mit Utensilien,
durchdrungen vom Duft von Frisörparfüm
und harz-
freiem Uhrenöl.
Wir finden an der Wand den Schlüssel
fürs
Gartentor im "Haisagässle". Dicht
daneben hängt der Keller-
schlüssel. So war die Welt von
Berthold Schuldt, da hat er ge-
atmet, gearbeitet und gewirkt, der
Tüftler und Denker.
Jetzt noch einen Blick in eine der vielen
Schubladen in
Schuldts Werkstatt: Ganz oben drauf
liegt eine Sextant-Gerät-
schaft zum Stellen der Uhren nach der
Sonne. Die Aufzählung
weiterer Werkzeuge würde zu weit
führen. Auf der Werkbank
liegt aufgeschlagen: "Das Handbuch
der Uhrmacherkunst"
von Albert Johann aus dem Jahre 1879,
wo es in der Anlei-
tung heißt: "Es ist deshalb von
großer Nothwendigkeit, daß je-
der Uhrmacher, der aus seinem Geschäft
den größten Nutzen
ziehen und mit Lust und Liebe daran
arbeiten will, sich die
Kenntnisse der mechanischen Physik
aneigne".
Das Schuldt-Inventarium wird im Heimatmuseum
einen festen
Platz finden.
Aus Berthold Schuldts "Aus dem
Uhrmachertag 1876"
stammen folgende Zeilen:
Selbst mit Musik
sind wir bereit
und lassen sie
erklingen;
auch teilen wir
im Takt die Zeit,
beim Spielen
und beim Singen;
Selbst der Planeten
Lauf man sieht,
wie alles um
die Sonne zieht.