"Schimmele, schemmde!"

Berthold Schuldt war gerade dabei, in seinem geliebten Gasthaus zum "Ochsen" die Feierabendstunde zu geniessen.
Dieses Lokal hat er gerne aufgesucht. Für ihn war es der Mittelpunkt seiner Dorfheimat.
Die Menschen am Stammtisch gierten gerade danach, voneinander Neuigkeiten aus dem Dorf aufzuschnappen,
um sich so ein wenig zu zerstreuen und aufzuheitern.
Wenn dann Schuldts Augen aufblitzten, freuten sich alle auf die folgende amüsante Anekdote, die er jetzt sicher
zum Besten geben würde.
Zunächst sprach Schuldt von seiner Tagesarbeit im Mühlbacher Steinbruch Reimold, und wie er noch für den folgenden Arbeitstag einen Sandsteinrohling auf seine Winnischkeit versehen hat.
Wichtig war ihm noch, unbedingt mitzuteilen, daß er den ganzen Tag einen trockenen Mund gehabt hätte und ihm deshalb jetzt das Sulzfelder Weigertbräu geradeso die Gurgel hinunterlaufe, als wenn er einen Schwamm im Bauch hätte.

Zeichnung: Otto Fischer

Ihn, sagte Schuldt, würden schon den ganzen Tag über hartnäckige Gedanken beschleichen und ihn in Versuchung bringen, zu seiner grossen Mostflasche zu greifen, obwohl ihm sein Gehirn doch unmissverständlich signalisiert hätte, die Flasche sei doch längst leer.
Den drängenden Wunsch, seinen großen Durst zu löschen, rechtfertigte Schuldt damit, daß der allgegenwärtige  Sandsteinstaub die Kehle austrocknete.
Mäuschenstill wurde es jetzt unter den Gästen, als Schuldt nach einem großen Schluck aus dem Krug begann, seinen erwartungsvoll lauschenden Zuhörern seine neueste Geschichte vorzutragen.
In seinem ihm eigenen, näselnden Erzählton zimmerte Schuldt diese kleine Geschichte zusammen:

Abgearbeitet wie immer, wollte er vom Mühlbacher Steinbruch aus den Heimweg auf dem so früher bezeichneten Vizinalweg  Sulzfeld - Mühlbach  antreten.
Er hielt Ausschau nach einem Bauernfuhrwerk, um so ohne eigene Kraftanstrengung heimwärts zu kommen. Weiter weg erkannte er ein Pferdegespann. Treu und brav zogen die Ackerpferde einen Pflug über das  Feld am Silberbuckel. Mit der Heimfahrt wurde es leider noch nichts, weil die Fläche ungebrochener Ackererde noch groß war und somit keine Aussieht bestand, daß das Pflügen bald beendet sei.
Auch hätten ihm die dampfenden Pferdeleiber die Andeutung gemacht, daß der Bauer ein Geilschinder sei und sowieso nur widerwillig Leute vom Felde auf seinem Wagen mit nach Hause nahm.
Eine neue Hoffnung keimte auf, als er beim Sachsenheimers Meierle einen Sandsteinbauern mit schwerem Wagen ausfindig machte, der Buckelquader geladen hatte.  Es war ein Sulzfelder Hauderer
(Lohnfuhrwerker) . Nur die antreibenden Hüh-Hüh-Rufe und das Drohen mit der Peitsche waren zu vernehmen. Kein Rad bewegte sich mehr. Auch mit guten Worten gelang es nicht, den Handgaul ins Geschirr zu bringen.
Impulsiv spannte der Fuhrmann seinen Handgaul aus, machte sich selbst einen Strick um den Hals und zog feste am Wagen mit, während er sich ganz vorwurfsvoll an sein bockiges Pferd wandte und ihm vorhielt: "Schimmele, schemmde!"
Das war wieder einmal Berthold Schuldts eigene Wahrheit, überzeugend dargeboten.
Die Zuhörer wußten wie so oft nicht, was sie von all dem halten sollten, und prompt fragte einer:"Ja, Berthold, isch des a wirklich wohr?"
Mit Schuldts allbekanntem "Däbbele, glab`s net" mußte er sich zufrieden geben, und jeder am Tisch konnte sich seinen Reim selber machen.