von links: Johann Antritter, Berthold Schuldt, Jakob Hertle (Schmied)

                                                                                        Fritz Hagenbucher, Ludwig Haag

 


Der neue Plattenweg

Hier ist ein heimisches Stück Sandstein hingelagert, das auf seine Bearbeitung wartet. Die Steinmetze gaben ihrem geliebten Stein Formen,

Maße und Strukturen.  Wegen seiner schönen gelben Farbe war der naturreine Sulzfelder Stein immer gefragt. Gelblich oder grünlichgrau

schimmert der Stein der Mutter Erde in der Sonne, als sei er aus Edelmetall.

Steinhauer Schuldt besaß klare Empfindungsfähigkeiten über die mächtigen Blöcke des Gesteins in den heimischen Steinbrüchen. Ein

Hauch von Nostalgie weht herüber.

Zu Berthold Schuldts Stärken gehörte das Erkennen von schönen und harmonischen Dingen in den. Sandsteingliederungen.

Damit war er qualifiziert, einen Steinbauerbetrieb zu führen.

Man kommt indessen nicht umhin, der Schuldt-Originalität zunächst Vorrang zu geben. Der Leitgedanken wird sein: Trockenen Kehle und

immer Durst. Die durch Schuldts Stimmorgan hervorgebrachten Laute hatten eine individuelle, näselnde Färbung, die aber immer gerne

erheiternd von der ganzen Dorfgemeinde aufgenommen wurde. Er schüttelt`s so einfach so aus dem Ärmel, sagten seine Gönner.

Sein sympathisches, wortschöpferisches "Däbbele" leitet seine Originalität ein: „S`Konsumverhalda fehrt zu leera Fässer“, hadder

gsagt, da alt Schuldt, un unauslöschlich sei da Dorscht. Über die Trinkgewohnheiten der Menschen im Steinhauergewerbe wird

noch eine Lanze zu brechen sein. Was ist das für ein durstig jähr ? Die Kehle lechzt mir immerdar.

Die Leber dorrt mir ein. Was weht doch jetzt für trockene Luft, gib heuer uns viel guten Most.

Schuldt erzählte, sie hätten zwar in ihren Reihen einen Steinhauer, der beim Mosttrinken Enthaltsamkeit übt, aber er, habe dem Abstinenzler

gegenüber die Bemerkung gemacht: " Däbbele, dir wärra mor s` Moschtringa schon noch beibringa“, wo doch das Moschttringa Kenn-

zeichen wackerer Männlichkeit sei.

So hatte unser Dorforiginal immer wieder Konjunktur mit seinen schelmischen Bemerkungen. Und die wandernden Baustellen mit ihren

Werkplätzen, unmittelbar an den Häusern und Höfen, boten sich geradedazu an, Kontakt mit den Anwohnern zu haben. Dazu gehörte auch

manchmal eine kecke Sprachebene, wie: "Heit isch awer widder druckene Luft, Luis, kennsch net amol oin Krug Moscht holla ?" Oder wenn

er sonst mit Vergnügen den redensartlichen Ausspruch machte: "Ungeschmiert läuft nix." In dieser Stimmungsatmosphäre bekam

Schuldt auch seine Eingebungen und wurde so hin und wieder zum Orakelkünder.

Schuldt erzählte: Auf seiner Wanderschaft als Tippelbruder habe er in der Steinhauerkunst reiche Erkenntnisquellen ausfindig machen

können. Früher sollten die Steinmetze eine Loge, eine Art geheime Gesellschaft, betrieben haben, in der geheimnisvolle Messkünste

mündlich überliefert worden seien, die er sich zu Nutzen machen könne. Erfahrenheit und Berufsreife ließen Berthold Schuldt, in Sozietät      

mit Christian Schmidt, einen Steinbruchbetrieb betreiben,  Die Alten bezeichneten diese Arbeitsgemeinschaften in ihrem           

speziellen , umgangssprachlichem Wortschatz mit: „Moistriera“.

Berthold Schuldt's Gedächtnis bewahrte längst vergessene Freuden, die er gelegentlich preisgab.

Im Dorf hätte es ein Brauchtum gegeben, dass junge Männer im Kreise ihrer Kameradschaften vor ihrer Eheschließung, dem

sogenannten Ledigenstand, versoffen hätten.«

Als aber ein von Knauserigkeit gestrichener junger Mann an der Reihe war, das Althergebrachte fortzusetzen, lehnte dieser mit der

Begründung ab, er hätte im Dorf überall romgfrogt, und habe erfahren können, dass dieser Usus nemmee Mode sei.

Schuldt-Kommentar:" Der hat äwa bloos Dorscht, wann's nix koscht ."

Der Taglohn für einen Steinhauer betrug in den zwanziger Jahren drei bis vier Mark.

Sozial eingestellte Meister gewährten als Deputat ihren Mitarbeitera einige Krüge Bier.

Vornehmlich standen die materiellen Probleme der Steinhauerfamilien  im Vordergrund. Erschwerend kam dazu, die häufig

schinderische, schwer erträgliche, ungesunde Arbeit des Steinhauerhandwerks.

Um aber diese Lebensumstände besser ertragen zu können, suchten die Leute instinktiv nach immateriller Ablenkung, und sie malten in

ihrem Gefühlsleben Vorstellungen aus, aus denen belustigende Erzählungen entwuchsen.

Die Steinbruchbeschäftigten mussten zu Fuß zu ihrem Arbeitsplatz im Steinbruch kommen.

Viele Steinmetze legten diese weite Strecke gemeinsam zurück. Da ging in dem landschaftlich schönen Kohlbachtal ihre Lunge auf Samt.

Unterwegs kam es zwischen dem originellen Schuldt und dem Jäckes zu folgendem Dialog:

Bei der Weilergasse arbeitet die Gutsverwaltung. Sie trieben ihre Ochsengespanne auf den Feldern an,

Schuldt zu Jäckes: " Wann i bloss für jedes Häärle wu der Ochs hat, a Goldschickle hed, briechda mir zwee jetzt nemme an Stoibruch laafa."

Oder noch besser wär, wann an jedem Häärle funn dem Ochs a Schwarzwaldtanne war, un an jedera Kodel a Goldstickle dran.

Jäckes antwortet darauf: „Awer nort dätsch mir a a paar tun denna Goldstickle gäwa“.

Schuldt darauf: " Wer zu liederlich isch, sich ebbes rechts zwinscha, der braucht a nix."

Aus den Stationen des Lebens webte Schuldt ein besonderes Gewebe, das alle Lebenserfahrungen einknüpft.

In Erscheinung tritt immer wieder die unerschütterliche originelle Gelassenheit unseres Berthold Schuldt. Er strahlte sie ein Leben   

lang aus.

Manchmal geschah es, dass Berthold Schuldt auch sehr gefühlsselig werden konnte. Immer dann, wenn er von seiner Kraichgaulandschaft

ergriffen war, die mit ihren tausend Hügeln ergrünt das Land schmückte und die er liebte wie eine Melodie.

Alles wirkte auf den Musikliebhaber Schuldt wie ein tiefgreifendes Ganzes.

Da ist auch das Glockengeläut einbezogen, wie Schuldt zum Ausdruck brachte, weil es als ein  Identifikationssignal ankommt.

Durch Schuldts Nebentätigkeit als Betreuer der Kirchturmuhr hatte er in seinem Innern eine bestimmte Beziehung, mit der nicht

nur den metallischen Klangkörper wahrnahm, sondern auch das Suchen und Finden nach innerer Einheit der Gläubigen erkennen durfte.

Mit seinem Bürgersinn hat Bertold Schuldt die Dorfgemeinschaft immer wieder bereichert.

Ohne sich von kirchlichen Bindungen zu lösen, meinte er: In unseren Dorfwirtschaften finden wir immer gesellschaftlichen Unterschlupf.

Er ist uns wie eine feste Burg und ein sicherer Hafen.

Das Gasthaus „Krone“ war für Schuldt ein fester Bezugspunkt, in dem er seine Heimat pflegte und eine selbst erlebte innere Einheit finden

konnte.

Schuldt war von der Krone auf seinem Heimweg. Da hing er so seinen Gedanken nach. Hat ihn doch so ein Trottel am Jägerstammtisch

gefragt, ob es zuträfe, dass man ausgewachsene Feldhasen drei bis viermal das Fell abziehen könnte.

Schuldt, kurz und treffend: „Däbbele, wann ses aushalda, warum net?"

Berthold Schuldt konnte jetzt den neuen Plattenweg zu seiner Heimstatt benutzen, auf dem er sich sicher fühlte, wenn er einmal

etwas schwankte. Pfarrer Riehm  gab im Gemeindeboten von 1924 seiner Freude über das gut ausgefallene Trottoir  Ausdruck und

bedankte sich bei der Gemeinde.

Berthold Schuldt erzählte zum Vergleich: Vor der Gehwegfertigstellung empfand ich bei meinem Heimweg von der Krone das Dorf

menschenleer.

Eine beklemmende Zurückgezogenheit war zu spüren und hinter verriegelten Scheunentoren kläfften Hunde.

Heute, sagte Schuldt, flaniert die Dorfjugend auf dem neuen Plattenweg, oder sie trifft sich auf dem nagelneuen Gehweg an der

Ochsenmauer zu einem Rendezvous.